Ich kenne und nutze Videokonferenzen seit vielen Jahren. Früher waren es Tools, wie Skype oder GotoMeeting, die ziemlich selten zum Einsatz kamen.
Seit einigen Monaten ist Zoom das Werkzeug der Wahl für die meisten Videotelefonate und Konferenzen.
Ich fühle mich bei derartigen Meetings immer irgendwie unwohl. Ich kann jedoch nicht erklären, warum.
Nun habe ich diese Tage im Economist einen Artikel gelesen, der für mich ein wenig Licht in das Rätsel bringt.
Ein Grund für meine Irritationen sind Pausen durch Verzögerungen in der Übertragung. Und zwar Verzögerungen bei der Sprachübertragung.
Hier kollidiert Technik mit unseren Sprachgewohnheiten.
Wir sind es gewohnt, dass es in Gesprächen keine Pausen oder Lücken und keine Überlappungen gibt.
Jeder von uns kennt das unangenehme Gefühl wenn Gespräche ins Stocken geraten und für ein paar Sekunden Stille herrscht.
Technisch werden bei online-Gesprächen die Sprach- und Videodaten in winzige Pakete zerteilt, über unterschiedliche Kanäle an den Empfänger geschickt und dort setzt das Programm die Pakete wieder zusammen und spielt sie dem Empfänger vor.
Dahinter steht eine geniale und robuste Konzeption aus den Kindertagen des Internet.
Gerade bei hoher Auslastung der Datenleitungen kommt es allerdings zu Verzögerungen und Unterbrechungen der Reihenfolge der Pakete.
Die Empfangssoftware hat nun zwei Möglichkeiten:
warten, bis alle Pakete angekommen sind - was zu Pausen führt.
Oder nehmen was bereits da ist und es zusammensetzen - was zu Störungen und schlechter Tonqualität führt.
Üblicherweise setzen Video-Plattformen heutzutage auf die schnelle Audio-Übertragung dafür jedoch von mittlerer Qualität.
Wir kennen alle solche anstrengenden Gespräche.
Zoom, die zur Zeit wohl meistgenutzte Plattform strebt in der Übertragung eine maximale Verzögerung von 150 Millisekunden an. Das ist weniger, als ein Wimpernschlag, genügt jedoch bereits für eine Irritation.
Bei der oben erwähnte Regel "keine Pausen, keine Überlappungen" ist die Schwelle etwa 200 Millisekunden. Im Gespräch braucht also die Nachricht vom Sprecher 150 Millisekunden zum Empfänger und die Antwort weitere 150 Millisekunden zurück - im Idealfall. Deutlich mehr, als die akzeptierten 200 Millisekunden.
Nach einer Studie von Felicia Roberts, eine Linguistin an der Purdue University in Indiana, lassen diese Pausen den Redner weniger überzeugend erscheinen. Im beruflichen Kontext sehr schlecht.
Was steckt psychologisch dahinter?
Eine spontane Antwort auf eine Frage kommt wie aus der Pistole geschossen. Wartet der Fragende auf die Antwort etwas länger, in einer Studie lag hier eine Schwelle bei etwa 700 Millisekunden, dann unterstellt er, der Antwortende braucht zusätzliche Zeit, um seine Antwort zu formulieren, etwa eine Ausrede oder ein höfliches Nein.
Schlecht für das Vertrauen obwohl vielleicht völlig ungerecht.
Einen anderen Effekt haben wir in Video- oder Telefonkonferenzen alle auch schon erlebt.
Mehrere Personen sprechen gleichzeitig und durcheinander. Das finde ich viel störender, als die Pausen, denn es unterbricht den Gesprächsfluß. Die Konflikte in der Reihenfolge zu klären ist mühsam und kostet Zeit.
Kommt dann noch ein starker Akzent oder gar eine Fremdsprache hinzu, ist es ganz vorbei mit dem Spaß.
Wir Menschen lieben es einfach. Was einfach zu verstehen ist, glauben wir leichter.
Unser Gehirn ist zwar in der Lage, fehlende Elemente in einem Gespräch - zum Beispiel Aussetzer in der Übertragung - auszugleichen. Diese Kompensation fällt uns besonders leicht, wenn wir uns im Thema auskennen und um so schwerer bei unbekannten Sachverhalten.
Bei einer Videokonferenz, bei der es so einfach ist, vorherzusagen, was die Kollegen sagen werden, könnte man auf den Gedanken kommen, warum sie überhaupt abgehalten wird ...
In einer Business-Konferenz sollen ja neue Informationen ausgetauscht werden. Der Teilnehmer mit der schlechten Internetverbindung wird möglicherweise zusätzlich ungerecht "bestraft".
Sehen wir die positive Seite: wir können uns auf die persönlichen Treffen freuen, wenn wir wieder an den Arbeitsplatz im Unternehmen dürfen.